
Am Freitag, 4. April, hat die Theatertruppe aus Airlenbach erstmalig die Komödie „Graf Lobster gibt sich die Ehre“ aufgeführt. Das erwartungsvolle Premierenpublikum wurde mit drei ausgesprochen unterhaltsamen Stunden und eindrucksvollen schauspielerischen Leistungen belohnt.
Besonders überzeugend war die starke Ensemble- Leistung der Airlenbacher Gruppe, das achtsamen Zusammenspiel aller und die sichtbare Spiellust jeder Einzelakteurin, jedes Einzelakteurs.
Die Aufmerksamkeit des Publikums stets hochgehalten hat die akustisch gute Verständlichkeit der Dialoge im Allgemeinen und die angemessene Lautstärke und Modulation des Sprechens im Besonderen. Die einzelnen Stimmführungen waren weder zu nachlässig noch zu überdreht, sondern den Handlungsfiguren und / oder der jeweiligen Spielssituation angemessen. Ebenso ist die Textsicherheit des gesamten Ensembles zu bewundern gewesen. Kleinere diebezügliche „Unebenheiten“ sind professionell durch die auf der Bühne Agierenden überspielt oder „ausgebügelt“ worden.
Angesichts einer kleinen Bühne, auf der sehr häufig viele Darsteller:innen präsent waren bzw. sein mussten (in der Schluss-Szenerie 12 Akteure!), war die Gefahr einer „Verklumpung“ oder des gegenseitigen Auf-die-Füße-Tretens“ und wortwörtlichen „In-den-Schatten-Stellens“ eigentlich immer gegeben. Durch sinnvolle Positionierungen der Spielenden auf der Bühne und gut durchdachten Bewegungsabläufen im Bühnenraum konnte diese Problem aber souverän gelöst werden Indem sich die einzelnen Darsteller:innen je nach Handlungs- bzw. Dialogverlauf in kleinen oder größeren Rochaden z.B. von hinten nach vorne, von der linken auf die rechte Bühnenhälfte oder diagonal auf einen Platz im Bühnenmittel – oder Bühnen-vordergrund gespielt (!) haben (was viel mehr erfordert hat als lediglich sich dorthin zu bewegen), konnten sie sich bei Bedarf von den anderen auf der Bühne Anwesenden ab- und rollengemäß in Szene setzen. Dass dabei die gerade nicht sprechenden bzw. nicht handlungsbestimmenden Mitspieler und Mitspielerinnen auf der Bühne/ im Hintergrund nicht erstarrt, sondern gestisch und mimisch im Spiel geblieben sind, hat zur Lebendigkeit des Bühnengeschehens insgesamt beigetragen.
Der Erfolg des Airlenbacher Theaterteams ist weiterhin wesentlich auf die gelungene Rollenbesetzung und das gute Rollenspiel aller Agierenden zurückzuführen. Die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Handlungs-figuren sind mit dem jeweils passenden nichtsprachlichen Repertoire (Gestik, Mimik, Körperhaltung, Art und Weise der Bewegung) treffend zum Ausdruck gebracht und auch publikumswirksam karikiert worden.
Stellvertretend für das starke darstellende Spiel der Gruppe seien hier drei Akteure genannt: Katja Bundschuh in der Rolle von Gräfin Hermine Lobster (einer verarmten, mit Fremdwörtern auf Kriegsfuß stehenden Gräfin), Anja Krautschneider alias Verona (Hausperle und Köchin in einer Person) sowie Martin Bundschuh, der als Konstantin Kirschkern einen cholerischen, stets mit neuen Krankheiten geplagten Marmeladenfabrikanten so überzeugend gibt, dass das Publikum angesichts seiner Leiden solidarisch mitempfindet.
Bühnenreife muss hier gesondert auch dem Airlenbacher Theaternachwuchs bescheinigt werden: Selina Kaiser, Lara Kaiser, Marc Siefert. Die unter- schiedlichen Charaktere ihrer Figuren (Delicie, frühreife Tochter Kirschkerns, und Kiwi, lausbübische jüngste Tochter Kirschkerns) sind beispielsweise durch den unterschiedliches Sprechgestus sowie das unterschiedliche non-verbale Spiel der beiden jungen Rollenträgerinnen deutlich zum Ausdruck gekommen. Beide Töchter Kirschkerns eint andererseits ein jugendlicher Kleidungsstil und die hochdeutsche Sprache, was sie von den Älteren absetzt und konsequent als Zöglinge ihrer Gouvernante (Marion Neff) ausweist. Bezüglich der Aussprache von Selina und Lara zudem lobenswert: Die Endsilben wurden beim Sprechen nicht „verschluckt“, gleich und ähnlich klingende Laute – z.B. die Konsonanten p/b, d/t, g/k – konnten gut unter-schieden werden.
Die an den genialen Albert Einstein erinnernde Haarpracht hat den Auftritt von Professor Würmling alias Marc Siefert optisch einen ebenso genialen Ausdruck verliehen. Im wahrsten Sinne des Wortes ist es Marc unter der Albert-Einstein-Perücke gelungen, eine sich allmählich selbst entlarvende Handlungsfigur zu spielen mit seriösem-witzigen-frechen und letztlich eigentlich skrupellosem Auftreten gegenüber seinen Patienten. Zunächst eher den berufstypischen, dienstbeflissenen und Hochdeutsch sprechenden Doktor (vor-)gebend, dann aber immer mehr seinen eigentlichen Charakter mit absurden Diagnosen, respektlosen Sprüchen und zunehmender Dialektsprache selbst entlarvend bis hin zur unverhohlenen Preisgabe seiner Geldgeilheit: Trotz all seiner Dreistigkeiten ist der Professor Dank der Spielweise von Marc Siefert und seiner genialen Einstein-Perücke ein für das Publikum eher liebenswerter, ausgeflippter Typ geblieben, dem niemand böse sein konnte.
Last but not least: Der dreizehnte bemerkenswerte Mitspieler der Airlenbacher Theatergruppe war – das Publikum im Saal. Das hat nämlich nicht nur verbal am Gang der Handlung und dem Verhalten der Handlungsfiguren mit Kommentaren, Ausrufen, Fragen („Jaaaa, was machschde jetzt?“) teilgenommen, sondern auch gestisch- mimisch aus-gesprochen engagiert mitgespielt. Das Theaterpublikum ist also im besten Sinne des Wortes „mitgegangen“, was dem engagierten Spiel der Akteure auf der Bühne zuzuschreiben war.
Im Laufe der Vorstellung entstand hie und da der Eindruck, sich in einem größeren Airlenbacher Wohnzimmer zu befinden, in dem die ganze Verwandschaft zugange war – ob auf oder hinter der Bühne oder im Saal- um miteinander zu feiern: nämlich bestes Amateurtheater!
Hans-Peter Fink